3a Historisches Mauerhaus in der Münsterstraße 27 - Traufenhaus

Besonders im Bereich der alten Stadtmauer und des Stadtgrabens, und da besonders in der Nähe des Münstertors gab es zahlreiche sogenannte Mauerhäuser.

Dr. Rohlmann präsentiert in diesem Video das "Traufenhaus"

 

Erläuterungen

Das besondere Mauerhaus Nr. 27

Die beiden bekanntesten und noch vorhandenen Mauerhäuser in Rheine, die wohl nach Baufälligkeit 1808 im weitgehend jetzigen Zustand wieder aufgebaut worden sind, findet man an der Münstermauer (Nr. 25 und 27). Jedes der beiden 9,50 m langen Häuser besaß im Erdgeschoss eine Küche und zwei schmale Stuben von 3,50 m Tiefe. Eine Trittleiter führte früher in drei etwas geräumigere Kammern im Obergeschoss. Es gibt jeweils fünf Gefache bzw. Gebinde, wobei das Erdgeschoss rückwärtig von der hier etwa 0,80 m starken Stadtmauer aus Kalkbruchstein begrenzt wird. Die als Speicher gedachten Obergeschosse ruhen rückwärtig auf der Mauerkrone und kragen an der vorderen Traufwand um etwa 0,80 m in den Straßenraum vor.

Insbesondere das Haus Münstermauer 27 (MM27) hat ganz besondere Eigenschaften und ist Gegenstand aktueller Restaurierungsbemühungen. Das Gebäude ist unter mehreren Aspekten historisch wertvoll und erhaltenswert für nachfolgende Generationen.

1. Baugeschichtliche Besonderheit als eines der wenigen Exemplare typischer Traufen- bzw. Mauerhäuser aus dem späten Mittelalter

2. Stadtentwicklungsbedeutung, weil es nachweislich als Stadtmusikantenhaus (17. Jhdt.), als zwischenzeitlicher Wohnsitz des Weihbischofs D’ Alhaus (18. Jhdt.) und danach durchweg im Besitz der Familie Brüning gedient hat (19. und 20. Jhdt.). Letztere hat urkundlich seit über 230 Jahren dort als Kleinbürger mit Viehwirtschaft, als Metzger und Handwerker gelebt.

3. Deutschlandweite, wenn nicht sogar internationale Einzigartigkeit einer Ziegen-/ Schaftreppe (einer Ziegelsteinrampe) im Haus, über die das Vieh der Kleinbürger nach dem Weiden tagsüber vor den Toren der Stadt am Abend durch die Haustür und die Wohnräume geradewegs zu der tiefer gelegen Böschung am Stadtgraben bzw. in die Stallungen getrieben wurde, um es nachts vor Diebstahl und wilden Tie-ren zu schützen.

4. Anschauliches Beispiel für das Wohnen einer Kleinstadtbevölkerung wie vor mehr als 100 Jahren, denn quasi in diesem Zustand befindet sich das Haus nach nur ein wenig Umbau und Modernisierung lt. Bauantrag von 1942.

Mehrere Quellen (u.a. Carl Weddige: Album Rheinense 1852, Rheine 1986, S. 88f; Kolck Franz, Rheine im Wandel der Zeiten, Rheine 1963, S. 131f) berichten von der Bestellung eines städtischen Schaf- bzw. Ziegenhirten, der Mitte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts quasi im Auftrag diverser Kleinbürger deren Vieh am Morgen zu den Wiesen vor die Stadttore führte und dort beaufsichtigte. Am Abend trieb er dann die Tiere durch die Stadttore wieder in die Stadt und entließ sie bei den einzelnen Familien in die Häuser, wo die Tiere über die Schaf- bzw. Ziegentreppe in die niedere Ebene des Stadtgrabens oder der Stallungen liefen.

Zusammen mit dem Umfeld stellt MM27 einen zentralen Bestandteil der mittelalterlichen Stadt Rheine dar. In der westlichen Verlängerung der Gasse gab es eine zweite Gruppe von Mauerhäusern. Diese sind im Zuge der Neugestaltung und Freiräumung des Areals beim Bau der Dechant-Pietz-Schule Anfang der 1950er Jahre abgerissen worden. In diesem Bereich gab es anschließend eine große Freifläche als Parkraum und einen „neuen Busbahnhof“, der genau vor dem (noch heute bestehenden) Eiscafé Venezia, das gegenüber der alten Pastorat lag, eingerichtet worden ist.

Das Haus und die Geschichte der Familie Brüning

Das Haus Münstermauer 27 war mindestens 230 Jahren im Besitz der Familie Brüning, deren Vorfahren früher auch Kleinviehhaltung hatten und tlw. auch das Metzgergewerbe ausübte. Im jahrhundertealten Keller des Hauses weisen noch Haken in der Kellerdecke auf Abhängvorrichtungen für Tiere hin. Dieses Haus steht nach dem Tode der letzten Besitzerin (Ostern 2017) leer und ist von der Stadt Rheine im Dezember 2018 als einmaliges steinernes Zeugnis der frühen Stadthistorie erworben worden. Der sich zugleich gegründete Verein Historische Altstadt Rheine e.V. hat das Haus zur Nutzung überlassen bekommen mit der Maßgabe, ein Restaurierungs- und Nutzungskonzept zu erstellen und umzusetzen. Dabei gilt zukünftig, dass das Haus Münstermauer 27 nur gemeinnützigen Zwecken dienen darf und offener Zugang einer breiten Öffentlichkeit gesichert ist.

Ansprechpartner:

Dr. Peter Rohlmann
1. Vorsitzender Historische Altstadt Rheine e.V.
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